Historie

Die Geschichte der Juden in der Region ist relativ jung: Erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ließen sich Mitglieder der Familie Nussbaum aus Butzweiler in der Nähe von Trier in Malberg und später in Kyllburg nieder.

Bis 1933 vergrößerte sich die jüdische Gemeinde auf etwa 50 Menschen. Ihre Bedeutung wird an zwei Punkten deutlich: Um 1900 entstand ein eigener Friedhof am Ortsrand von Malberg „unter der Klerf“. Und 1912 konnte in Kyllburg unterhalb der Mariensäule – in Eintracht zwischen der alten katholischen und der evangelischen Kirche – die Synagoge eingeweiht werden.

Friedhof und Synagoge wurden in der Pogromnacht vom November 1938 geschändet und zerstört. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten der Kyllburger und Malberger Juden bereits ins Ausland geflohen.

Die Erforschung des Schicksals der Kyllburger und Malberger Juden steht noch am Beginn. Dieser wird markiert von der Verlegung von drei Stolpersteinen in der Malberger Schlossstraße und vier Steinen in der Bahnhofstraße in Kyllburg am 6. November 2017.

Panel 1

Kyllburg

Hermann Nussbaum wurde am 15. September 1866 in Butzweiler geboren. Um 1893 ließ er sich in Malberg nieder. Aus diesem Jahr stammt ein Eintrag im hiesigen Gewerberegister. Hermann Nussbaum war ein vielseitiger Geschäftsmann, der hauptsächlich im Textil- und Viehhandel tätig war. Eine Zeitlang betrieb er aber auch eine Metzgerei und eine Fleischhandlung. 1898 heiratete er Helena Michel aus Niedaltdorf in der Nähe von Merzig. Das junge Paar kaufte das Haus Bahnhofstraße 210 in Kyllburg (heute Hausnummer 5). Dort wurden zwischen 1899 und 1906 ihre vier Kinder geboren: Joseph Alfred, Salomon, Heinrich und Rebecka.
Joseph Alfred Nussbaum wurde am 17. April 1899 in Kyllburg geboren und mit 18 Jahren 1917 als Landsturmmann eingezogen. Nach dem 1. Weltkrieg stieg er als Metzger und Viehhändler in das Geschäft seines Vaters Hermann ein. Der hatte nach dem frühen Tod seiner Frau Helena 1920 die am 2. Dezember 1883 in Illingen/Saar geborene Sara Nussbaum, geb. Levy, geheiratet. Vermutlich seit dieser Zeit betrieb das Ehepaar eine koschere Fremdenpension mit fünf Betten in der Bahnhofstraße. Um deren Betrieb kümmerte sich in der Folge auch das jüngste der Nussbaum-Kinder, die am 26. Januar 1906 in Kyllburg geborene Rebecka Nussbaum.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begannen die Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung, die ab Mitte der 1930er Jahre zu einer Fluchtbewegung vor allem der Jungen ins Ausland führte. Im Oktober 1938 emigrierte Rebecka Nussbaum nach New York, im März 1941 folgte Joseph Alfred Nussbaum seiner Schwester in die USA.
In Kyllburg blieben als einzige Hermann und Sara Nussbaum zurück. Sie wurden am 25. Juli 1942 nach Trier gebracht und von dort zwei Tage später per Zug in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Nach sieben Wochen unter den menschenverachtenden und tödlichen Bedingungen des Ghettos wurde das Ehepaar am 19. September 1942 von Theresienstadt in das Vernichtungslager Treblinka deportiert, wo sie vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft in der Gaskammer ermordet worden sind.

Panel 2

Malberg

Wenig bekannt ist über die drei unverheirateten Geschwister von Hermann Nussbaum, die in der Malberger Schlossstraße 2 (heute Hausnummer 43) wohnten und die ebenfalls alle drei in Butzweiler geboren sind: Adelheid Nussbaum, geboren am 23. März 1868, Johanna Nussbaum, geboren am 15. Februar 1884, und Simon Nussbaum, geboren am 13. Februar 1887. Simon Nussbaum betrieb zusammen mit seinen beiden Schwestern eine Metzgerei.
Das letzte Lebenszeichen von Simon Nussbaum ist ein nüchterner Eintrag im Melderegister von Kyllburg. Verzogen nach „unbekannt“ heißt es dort unter dem Datum 23. April 1942. In Wirklichkeit wurde Simon Nussbaum per Zug von Trier nach Izbica, einem Ghetto im besetzten Polen, deportiert. Es ist nicht bekannt, wie viele der 441 Juden dieses Transportes in das Ghetto eingewiesen worden sind und wie viele unmittelbar in die Vernichtungslager Belzec und Sobibor weitertransportiert worden sind. Sicher ist nur, dass kein einziger der Menschen dieses Transports überlebt hat.
Adelheid und Johanna Nussbaum wurden zusammen mit ihrem Bruder und ihrer Schwägerin am 25. Juli 1942 nach Trier und von dort nach Theresienstadt deportiert.
Adelheid Nussbaum überstand die strapaziöse 30stündige Fahrt nicht. Sie starb wenige Tage nach ihrer Ankunft im Ghetto am 2. August 1942. „Altersschwäche“ und „Herzschwäche“ heißt es zur Krankheit und Todesursache in der vorgefertigten Todesfallanzeige, die im Archiv von Theresienstadt erhalten geblieben ist.
Am 26. September 1942 wurde Johanna Nussbaum mit dem Transport BR von Theresienstadt nach Treblinka deportiert. Ihr Name auf der Transportliste ist das letzte Lebenszeichen von ihr. Vermutlich wurde auch sie unmittelbar nach der Ankunft im Vernichtungslager ermordet.

Panel 3

Das Stolpersteinprojekt

Die Idee, den Opfern des nationalsozialistischen Terrors Stolpersteine zu setzen, stammt von dem Kölner Aktionskünstler Gunter Demnig. Für Demnig, sind die Stolpersteine ein Projekt, „das die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Zigeuner, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus lebendig erhält“. Gunter Demnig hat für sein Projekt weit über Deutschland hinaus mit viel Anerkennung erhalten. Bisher (Stand Juli 2017) wurden europaweit über 61000 Stolpersteine verlegt.
Mehr Informationen dazu gibt es hier.

Der Gedanke zur Verlegung von Stolpersteinen wurde vor etwa zwei Jahren aus der Kyllburger Initiative „OK dajeh!“ heraus entwickelt. Diese Gruppe bemüht sich um die positive Innenentwicklung in Kyllburg, aus bürgerlicher Aktivität heraus,, wozu sie auch die Beschäftigung mit der Vergangenheit rechnet. Schnell wurde klar, dass es nicht möglich ist, allen vertriebenen jüdischen Mitbürgern gleichzeitig Stolpersteine zu setzen. Deshalb wurde beschlossen, mit den erschütterndsten Schicksalen zu beginnen, nämlich den ermordeten Juden. Gleichzeitig wurde aber auch klar, dass die Geschichte der Kyllburger Juden nicht isoliert zu sehen ist, sondern immer auch die Geschichte der Juden in Malberg ist. So hat sich aus der zunächst auf Kyllburg beschränkten Initiative in der Zwischenzeit eine Arbeitsgemeinschaft aus Kyllburger und Malberger Bürgern entwickelt.

Unterstützt wurde das Stolpersteinprojekt von Beginn an von den Gremien der Stadt Kyllburg und der Gemeinde Malberg. Beide haben mit ihren Beschlüssen im Herbst 2016 den Weg frei gemacht zu der Verlegung der Stolpersteine am 6. November 2017, die unter großer Anteilnahme der Bevölkerung stattfand.

Für die Stolperstein-Initiative ist die Verlegung vom November 2017 ein Beginn. Sie plant weitere Forschungen zu den anderen Malberger und Kyllburger Juden, die in alle Welt verstreut worden sind, um auch ihnen Stolpersteine setzen zu können.

Die Herstellung und Verlegung eines Stolpersteins kostet 120 Euro. Diese Kosten werden über Spenden und Patenschaften finanziert. Patenschaften können von Privatpersonen, Institutionen, Ausbildungsstätten, Firmen, Vereinen oder Parteien übernommen werden. Interessierte können hier Kontakt aufnehmen.

Spendenkonten:

Verbandsgemeinde Bitburger Land
Verwendungszweck  „Gedenksteine Kyllburg “ oder „Gedenksteine Malberg“

KSK Bitburg-Prüm,  IBAN DE26586500300003000221, BIC MALADE51BIT
oder
Volksbank Bitburg, IBAN DE74586601010003833614, BIC GENODED1BIT

 

Panel 4

Kontakt

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Verantwortlich für diese Internetseiten:
Toni Nemes, Arndtstr. 4, 65185 Wiesbaden

Fotos der Famile Nussbaum: Archiv Emily Watson, Rio Rancho, New Mexico

 

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Aktuelles

Kyllburg und Malberg am 6. November 2017: Gegen das Vergessen

Sieben Stolpersteine für die Familie Nussbaum

Unter reger Anteilnahme der Bevölkerung sind am 6. November 2017 die ersten vier Stolpersteine in Kyllburg und anschließend die ersten drei Stolpersteine in Malberg verlegt worden.

Etwa 60 Menschen hatten sich um 12 Uhr vor dem Haus Bahnhofstraße 5 in Kyllburg eingefunden, um Hermann Nussbaum, seiner Frau Sara und ihren Kindern Joseph Alfred und Rebecka Nussbaum in einer schlichten, aber würdigen Feier zu gedenken. Während der Kölner Künstler Gunter Demnig die Stolpersteine vor dem Schaufenster des derzeit leerstehenden Hauses setzte, wurden die Namen und Schicksalsdaten der vier Menschen verlesen, an die an diesem Tag in Kyllburg erinnert werden sollte. In einer kurzen Ansprache zog Stadtbürgermeister Wolfgang Krämer die Linie von den Ereignissen während des Nationalsozialismus zur Gegenwart: Das Schicksal der Familie sei auch Mahnung, dem Ruf nach „scheinbar einfachen, radikalen Lösungen“, der aktuell immer lauter werde, etwas entgegenzusetzen.

Fortgesetzt wurde die Gedenkveranstaltung um 13 Uhr vor dem Haus Schlossstraße 43 in Malberg, wo sich ebenfalls etwa 60 Menschen eingefunden hatten, um der Geschwister Adelheid, Johanna und Simon Nussbaum zu gedenken, die 1942 elendig in Theresienstadt zugrunde gegangen oder in den Gaskammern von Treblinka und Belzec grausam ermordet worden sind. Hier erinnerte der 1. Beigeordnete und derzeit amtierende Ortsbürgermeister Joachim Schmitt an die ehemaligen jüdischen Malberger Mitbürger, während Gunter Demnig die drei Stolpersteine ins Pflaster einließ.

Auffallend war besonders die Anwesenheit vieler älterer Malbergerinnen und Malberger, die die Ermordeten zum Teil noch persönlich gekannt haben. Mit großer Anteilnahme wurde dem Zeitzeugenbericht von Hubert Weinand gefolgt, der als Neunjähriger den Pogrom vom 9. November 1938 erlebt hat.

Mit Lisa Watson war eine Enkelin von Rebecka Nussbaum aus Kyllburg eigens aus New Jersey in den USA angereist, um an der Gedenkfeier teilzunehmen. Sie verlas einen Brief ihrer Mutter Emily Watson, in dem sie in ergreifender Weise von dem Trauma ihrer Mutter und ihres Onkels nach der Flucht in die USA berichtet und über ihre eigenen Gefühle im Verlauf des Stolpersteinprojekts.

Anschließend sprach Lisa Watson, zusammen mit Henri Juda, dem Vorsitzenden der Vereinigung MemoShoa aus Luxemburg, das Kaddisch, das jüdische Totengebet.

Umrahmt von zwei Stücken, die die Musikerin Catrin Stecker auf ihrer Klarinette vortrug, fand die Gedenkveranstaltung in der gegenüberliegenden Alten Kirche ihren Abschluss. Bei heißem Apfelsaft und Kaffee bestand die gern genutzte Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen.

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Verlegung von Stolpersteinen in Kyllburg und Malberg am 6. November 2017


Programm 

Beginn 12.00 Uhr
Kyllburg, vor dem Haus Bahnhofstraße 5
Kurze Ansprache und Verlegung der ersten vier Kyllburger Stolpersteine
durch Gunter Demnig

ca. 13.00 Uhr
Malberg, Verlegung der drei Stolpersteine vor dem Haus Schlossstraße 43

anschließend
Gemeinsame Gedenkfeier in der  „Alten Kirche“
(gegenüber Schlossstraße 43)

Zu der Veranstaltung sind alle Kyllburger und Malberger Bürgerinnen
und Bürger und alle anderen Interessierten herzlich eingeladen.